Jean Troillet: Leistungen und Freundschaften.

10. März 1948 –

 

Aufgenommen am 8. Dezember 2012 in La Fouly.

Jean Troillet – Association Films Plans-Fixes (plansfixes.ch)

 

> Jean Troillet ist ein Mann der Rekorde. Er hat zehn Achttausender ohne Sauerstoff erklettert. Er ist als erster Mensch auf der Nordflanke des Mount Everest mit dem Snowboard hinuntergefahren. Elf Jahre früher hatte er bereits in 43 Stunden den Auf- und Abstieg vollbracht. Davor verneigte sich Reinhold Messner und schrieb, die Leistung sei mehr wert als all seine eigenen Aufstiege. Jean Troillet hat eine offizielle Webseite. Zu den Sponsoren gehört Rolex. Doch im Auftreten ist der Mann der Rekorde bescheiden geblieben – bescheidener gar als du und ich ... <

 

Jean Troillets Charakter wurde vom Elternhaus geprägt. Und das Elternhaus von den Bergen. Man tat seine Pflicht, man schlug sich durch, und man verlor keine Worte. Mit Wärme schildert der Schriftsteller > Maurice Zermatten, auch ein Walliser, wie sich die Menschen in ihr hartes Los schickten. Niemand träumte von einem anderen Leben. Alle nahmen die Verhältnisse an, wie sie waren, und bewährten sich in ihnen. Der Achtzigjährige schrieb über die Mutter sein letztes Werk: „O vous que je n’ai pas assez aimée“ (O Sie, die ich nicht genug geliebt habe).

 

In einem ihr gewidmeten Buch erzählt > Marie Métrailler aus Evolène, dass Leute zuweilen nicht von der Arbeit zurückkamen. Die Angehörigen fanden die Vermissten zusammengekrümmt in einer Furche. Sie hatten sich nichts anmerken lassen und den Schmerz verbissen bis zum Tag, an dem sie zum Sterben ins Freie gegangen waren.

 

Auch Jean Troillet ist kein Mann der grossen Worte. Schon als Kind bewun­derte er den fünf Jahre älteren Bruder, der ihm das Bergsteigen beibrachte. Daniel verhielt sich auf den Touren schweigend und sprach nur, wenn es nötig war: „Morgen machen wir den und den Berg. Sei um halb vier bereit.“ – So auch der Vater: „In den Sommerferien gehst du nach Genua. Du wirst dort die Sprache lernen.“ Und am Ende der Schulpflicht vernahm der Sohn: „Du wirst jetzt für ein Jahr nach Deutschland fahren.“ Nach elf Monaten rief Jean den Vater aus Norddeutschland an. Der fragte: „Kannst du jetzt Deutsch?“ „Ziemlich gut.“ „So bleib noch den zwölften Monat. Dann kannst du’s perfekt.“

 

Bei der Gastgeberfamilie war Jean Troillet ins Heizungsgewerbe gekommen. Jetzt machte er in der Schweiz die Ausbildung zum Heizungsmonteur. Der Lehrmeister förderte seine Selbständigkeit, indem er den Burschen mit Reparaturen beauftragte. Bei dieser Tätigkeit dachte der sich in die Sache hinein und begriff am Ende, an welchen Punkten man intervenieren muss, damit das System funktioniert.

 

Die gleiche Intelligenz, gerichtet auf logischen Ablauf und Zielerfüllung, verlangt auch das Bergsteigen. Logisch, dass Jean Troillet mit 21 das Bergführerdiplom erwarb. Er war ja familiär, wie man zu sagen pflegt, vorbelastet. Der Vater leitete die Rettungskolonne. So war die Familie auch mit Unglücksfällen vertraut.

 

Beim dritten Bergführereinsatz fiel die Gruppe beim Abstieg auf Jean Troillet nieder. Ein Mitglied kam um. Jean Troillet wurde mit dem Helikopter ins Spital geflogen. Mit einem Lächeln blinzelte ihm der Einsatzleiter durch die Brille zu und schuf auf diese Weise eine wortlose Verbindung. Im Krankenzimmer trat der Vater ans Bett. Jean wurde vom Gefühl überwältigt: „Doch Papa legte mir schweigend seine Hand auf die Augen. Er war da. Das vergesse ich ihm nie.“ Die beiden Männer kommunizierten mit der Sprache der Bergbewohner: „Wer recht zu schweigen weiss, der weiss auch zu reden.“ (Volksmund.)

 

Für die „Plans Fixes“ führt > Jean-Claude Pont, selber Bergführer und Walliser, Jean Troillet zu den Höhepunkten seiner Karriere: Heliskiing-Diplom, kanadische Staatsbürgerschaft, Mitarbeit beim luxuriösen Schweizer Reisemagazin „Animan“, Mannschaftsmitglied auf der Einheit Primagaz des schweizerischen Langstrecken-Rekordseglers Laurent Bourgnon. Dabei zeigt sich: All diese Leute bilden eine Familie. Was sie charakterisiert, ist die Fähigkeit zur Fokussierung, kombiniert mit Disziplin und Durchhaltewillen.

 

Seit Beginn dieses Jahres sendet Radio France-Info jeden Sonntagabend fünf Minuten vor den 22-Uhr-Nachrichten das Programmelement „Demain les jeux“. Es fasst die Begegnung des Sportjournalisten Théo Curin mit einem französischen Olympiateilnehmer im Taxi zusammen. Was immer die Disziplinen sind, die man dabei kennenlernt – eines haben die jungen Leute, welche heute die Spitze bilden, gemeinsam: Sie geben sich, wie Jean Troillet, bescheiden und halten sich an die Maxime:

 

Μή φθόνει τοίς εύτυχούσι, μή δοκής είναι κακός.

 

Beneide nicht die Hochbeglückten, sonst stellst du dich selber bloss.

(Chares, attischer Feldherr, um 350 v. Chr.)

 

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