Claude Pahud-Veillard: und die Ecole d’études sociales et pédagogiques de Lausanne.

1. Dezember 1924 – 14. November 2017.

 

Aufgenommen am 20. März 2008 in Lausanne.

Claude Pahud-Veillard – Association Films Plans-Fixes (plansfixes.ch)

 

> Mit Genugtuung resümiert Claude Pahud am Ende des Films: „Alle meine Kinder und Enkel haben einen Beruf gewählt, der sie mit Menschen zusammenbringt. Sie wurden Lehrer, Journalisten, Schauspieler, Anwälte …“ So stehen die Angehörigen der Familie in einer langen Tradition des humanistischen Engagements. „Schon mein Vater, mein Grossvater, mein Urgrossvater waren Lehrer“, sagt der Gründer der Ecole Pahud, aus der am Ende die sozialpädagogische Hochschule Lausanne hervorwuchs. <

 

1783 schilderte der Mathematikprofessor Niklaus Blauner an der Akademie von Bern (also der Vorgängerin der Universität) die Stadt Paris. Aus der anonymen Mitschrift eines Studenten geht hervor, dass Blauner seine Vorlesungen berndeutsch hielt: „Vo Fontainebleau bis ga Paris sy öppe 15 Stund.“ – In deutscher Übersetzung führte der Professor aus:

 

Da seid ihr denn in Paris, da geht ihr die Gebäude anschauen in der Stadt. Unter anderem ist da das Findelhaus oder la maison des enfants trouvés. Da seht ihr untendrin viele Kinder, es sind etwa 50 Bettlein oder Wiegen; da strecken die Kinder alle ihre Hände heraus und schreien: „Papa“, denn sie haben ihre Eltern nie gesehen. Sie sind munter und fröhlich; ihr geht dann nachher, wenn ihr die Kinder gesehen habt, ihr Herren, hinauf zum Schauen, es ist ein rührendes Schauspiel („es touschants Spektakel“), da laufen die Kinder schon herum; da sind Kinder von 5 bis 10 Jahren, zuoberst sind die grossen Kerle.

 

Stapfer III: Ich war in Strassburg im Findelhaus, da stank es gar greulich.

 

Professor: Da drin war gar kein Gestank, ich habe gar nichts gerochen.

 

Hahn: Vielleicht hatte der Professor den Schnupfen.

 

Professor: Wenn eine ein Kind hat, so gibt sie’s dem, den sie für den Vater hält, der nimmt das Kind, tut’s in eine Schachtel und ein Zettelchen drauf, es sei getauft und man bitte, dass man’s aufziehe, und es sei ihm leid, dass sie es nicht behalten könnten; wenn sie’s aber nicht annehmen wollten, so wolle man es wieder holen. Man geht in den Hof, wo eine Glocke ist, und die läutet man und geht fort. Gebt doch acht, ihr wisst sonst gar nichts. Man könnte die Leute herausfinden, allein man gibt nicht so acht drauf. Schaut, so geht’s mit diesen armen Kindlein.

 

(Hahn lacht.)

 

Professor: Der Herr Hahn ist ein Narr; bleibt doch draussen, was habt ihr in meine Lektion („Lätzge“) zu kommen?

 

(Professor hat Tränen in den Augen.)

 

Herrmann: Es geht dem Professor so ans Herz, weil er vielleicht auch Anteil an einem Kind gehabt hat.

 

Professor: Man verheiratet die Findelkinder untereinander. Ihr habt zuweilen in der Zeitung gelesen, dass man etwa fünfzig verheiratet habe. Es gibt eine Kirche in dem Haus, in allen Kirchen, von denen ich spreche, bin ich gewesen.

 

Alle: Nun, erzählt uns davon.

 

Professor: Schaut, wir kommen noch dazu.

 

Herrmann: Herr Professor, fahrt fort, die Zeit ist kostbar.

 

Professor: Aber ich weiss nicht, wieviel Uhr es ist. Es ist 3/4. Aber ihr versteht mich doch besser als aus einem Buch? Betet jetzt.

 

Als Claude Pahud 1953 in Lausanne die Leitung des neugegründeten Zentrums für die Ausbildung von Erziehern für unangepasste Kinder und Jugendliche übernahm (Centre de formation d’éducateurs pour l’enfance et l’adolescence inadaptées), sprach man in den Heimen noch von „Wärtern“ und „Aufsehern“. Sie hatten keine einschlägige Ausbildung und waren schlecht bezahlt. Mit der Wahl des Direktors begann sich das zu ändern. „Man suchte einen sogenannt gut verheirateten Mann, dem die Ehefrau zur Seite stand. Natürlich unbezahlt. Monique war Sozialarbeiterin. Ich war Lizenziat in Erziehungswissenschaften. Doch ausschlaggebend für die Wahl war meine Berühmtheit. Ich moderierte die ‚Glückskette’, damals eine tägliche Erfolgssendung von Radio Lausanne.“

 

Zu den ersten Lehrern gehörte > Jean-Pierre Fragnière, der spätere Professor für Sozialpädagogik. In seinem Todesjahr 2021 erschien seine Monographie über Claude Pahud, aus dessen Beharrlichkeit und Umsicht die sozialpädagogische Hochschule Lausanne hervorgewachsen ist.

 

Für die „Plans Fixes“ schildert der 84-Jährige die Entwicklungsstadien des Instituts. Die Echtheit seines Engagements und der Reiz seiner Persönlichkeit tragen den aussenstehenden Zuschauer durch die Vielzahl der Details, Namen, Fakten und Daten, und er erkennt, dass hinter all dem Disparaten ein Mensch steht, der sich verwirklicht. Die Fäden seines Schicksals aber bilden im Rückblick ein schönes Muster und bestätigen das Wort des Apostels Paulus im Römerbrief:

 

Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum besten dienen, denen, die nach dem Vorsatz berufen sind. (8, 28)

 

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